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Hilfe für Flüchtlinge
Als Mitte der 1990er Jahre durch Kriegsereignisse traumatisiere Menschen aus Jugoslawien nach Deutschland kamen, wurde das psycho-soziale Zentrum Refugio München gegründet. Jürgen Soyer, Geschäftsführer der Einrichtung, über deren Aufgaben heute.
An welcher Stelle wird ein Beratungs- und Behandlungszentrum für Flüchtlinge und Folteropfer zur Menschenrechts-NGO?
Es gibt ein Menschenrecht auf körperliche Unversehrtheit und Gesundheit. Das sehen wir bei Geflüchteten, die nach Deutschland kommen, wegen des Sozialhilferechts für Asylbewerber nicht voll umgesetzt. Insbesondere wenn es um die psychische Gesundheit geht, gibt es Mängel. Refugio setzt sich dafür ein, dass dieses Menschenrecht auch für Geflüchtete ausnahmslos beachtet wird.
Die zweite Ebene betrifft die Ursachen von Traumatisierung. Psychische Probleme deuten darauf hin, dass es in den Heimatländern der Flüchtlinge zu Menschenrechtsverletzungen gekommen ist. Hier setzen wir an, um diesen Menschen die Unterstützung zu geben, damit sie auch einen Aufenthalt in Deutschland bekommen.
Diese Expertise der psycho-sozialen Zentren wird nun infrage gestellt …
Die Bundesregierung hat ein Gesetz geändert, dass im Abschiebeverfahren nur noch Fachärzte eine Traumatisierung attestieren dürfen. Die haben in der Praxis aber keine Zeit dafür. Psychologischen Psychotherapeuten, die aus ihrer Therapie heraus Zeit dafür hätten, wird dieses Recht verweigert. Das Ziel ist klar: Man will Traumata nicht mehr als Hinderungsgrund für Abschiebungen akzeptieren. Das ist aus menschenrechtlicher Sicht höchst bedenklich.
In der Flüchtlingsfrage ist die Gesellschaft in Deutschland gespalten. Warum?
Als Einrichtung können wir diese Annahme nur teilweise bestätigen. Wir erleben weiter viel Zuspruch. Unsere Klienten berichten allerdings jetzt häufiger von rassistischen Äußerungen oder Übergriffen. Die Frage bleibt offen, ob es wirklich eine kritische Masse gibt, die Flüchtlinge ablehnt und – wenn ja –, warum sie das tut? Meiner Überzeugung nach ist es eine Gemengelage aus soziologischen, sozial-ökonomischen und psychologischen Faktoren.
Haben wir es mit einem Kommunikationsproblem zu tun?
Wenn Politik Mantra-artig wiederholt, dass es Obergrenzen oder eine Leitkultur geben soll, beeinflusst das die Bevölkerung. Ich sehe eine weitere Ebene. Bei der Frage von Flucht spielt auch die Einteilung in Täter und Opfer eine Rolle. Den eindeutig als Opfer zu erkennenden Menschen wird Hilfe gewährt – anderen nicht. Doch so einfach lässt sich eine komplexe Welt nicht erklären. Gleichwohl ist diese Unsicherheit oft schwer auszuhalten.
Die Hilfsbereitschaft gegenüber Geflüchteten ist weiter hoch. Oder kippt die Stimmung?
Die vielen Helferkreise arbeiten weiter stabil. Ich beobachte allerdings ein dramatisch gesunkenes mediales Interesse am Thema. Man tut so, als kämen keine Flüchtlinge mehr; dabei sind es in 2016 über 200.000 für Deutschland. Die Aufgaben sind weiter herausfordernd. Es geht darum, die gleichberechtigte Teilhabe von Geflüchteten an dieser Gesellschaft zu ermöglichen.
Ist die deutsche Gesellschaft auf interkulturelle Veränderungen vorbereitet?
Es gibt regionale Unterschiede. München arbeitet beispielsweise seit Jahrzehnten mit erfolgreichen Konzepten. Hier werden berufliche Abschlüsse leichter anerkannt, bereits im laufenden Asylverfahren gibt es Unterstützung – oder Zentren wie Refugio bekommen eine Förderung. Es gibt jedoch zahlreiche Kommunen in Deutschland, die das nicht leisten wollen oder können. Ein zweiter Punkt. Wir müssen Möglichkeiten zur Begegnung schaffen. Dadurch bekommt das scheinbar Fremde ein Gesicht. Solche Möglichkeiten sind Plattformen, wo sich Interessierte, Ehrenamtliche oder Hauptberufliche austauschen können. Dann besteht die Chance, dass eine Gesellschaft lernt, mit zunehmender Heterogenität umzugehen.
Interview: Marko Junghänel
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