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Abgepfiffen
Copyright Text und Bild: Wassilis Aswestopoulos
Es war 1993, als ich zum ersten Mal mit der Notwendigkeit konfrontiert wurde, mich zu einem Team des griechischen Fußballs zu bekennen. Als frisch aus Deutschland angekommener Diplomand an einer griechischen Uni musste ich meinem Professor die alles entscheidende Frage beantworten: »Welche Mannschaft bist du?« Ausflüchte, ich wäre aus Aachen und folglich eingeschworener Anhänger der Alemannia, halfen nicht, ich musste ein Athener Team wählen. Den Farben der Alemannia treu bleibend, wählte ich AEK Athen. Seitdem gelte ich in Hellas als Gelbschwarzer oder aber, wie AEK-Anhänger verächtlich genannt werden, als »Hanoumaki«. AEK, Athlitiki Enosi Konstantinopoliton, ist ein Team, das in den 20ern des vergangenen Jahrhunderts von griechischen Flüchtlingen aus Kleinasien gegründet wurde. Ergo werden die Anhänger spöttisch »Haremsfrauen« genannt. Analog heißen die Anhänger von Olympiakos Piräus »Gavroi« (Sprotten), die von PAOK Thessaloniki »Bulgaren« und die von Aris Thessaloniki »Würmer«.
Leider bleibt es nicht bei verbalen Scharmützeln. Der griechische Fußball versinkt derzeit in einem Chaos aus Gewalt und Korruption. Bürgerkriegsähnliche Zustände in den Stadien sorgen dafür, dass sich keine Familie mehr zum Fußballgucken traut. 14 Jahre nach dem sensationellen Gewinn der Fußball-Europameisterschaft mit König Otto (Rehhagel) ist der fußballerische und gesellschaftliche Tiefpunkt erreicht. Der Fanatismus, mit dem Griechen zu ihrer Mannschaft halten, ist so legendär wie die gekauften Schiedsrichterentscheidungen. Über die wundert sich kaum noch jemand. Wenn sie wirklich unabhängig entscheiden, leben Schiedsrichter in Griechenland gefährlich, mehrfach gab es brutale Übergriffe. Der griechische Fußballverband EPO mischt munter mit. Er stellte sämtliche Sportrichter kalt, die ihm nicht in den Kram passten. Mehrfach drohten FIFA und UEFA, den völlig aus dem Ruder gelaufenen griechischen Fußball von der internationalen Bühne zu verbannen.
Das Problem ist ein strukturelles. Die großen Teams gehören Oligarchen, welche organisierte Hooligan-Fanclubs wie eine Art Privatarmee um sich sammeln. Steht ein Oligarch in der Gunst der jeweiligen Regierung, so rechnet er fest mit dem Titel. Es ist bezeichnend, dass das Team von OFI Kreta aus Heraklion, einer PASOK-Hochburg, regelmäßig im UEFA-Pokal spielte, solange die PASOK regierte. In der Saison 2017/2018 hat AEK nach zwischenzeitlichem Bankrott und Abstieg bis in die dritte Liga mit sechs Punkten Vorsprung die griechische Meisterschaft gewonnen. Den dreistelligen Betrag an aufgelaufenen Schulden hatte der Verein zuvor geschickt auf den Staat abgewälzt.
Dass die letzte Saison überhaupt gewertet wird, hatte kaum noch jemand erwartet. Nachdem der Clubpräsident von PAOK Thessaloniki mit einem Revolver im Gürtel den Platz gestürmt hatte, weil ihm eine Schiedsrichterentscheidung nicht gepasst hatte, wurde der Spielbetrieb der Liga abgebrochen. Der Meister wurde am grünen Tisch entschieden. Auch mehrere andere Vereine bekamen wegen Ausschreitungen Punkte abgezogen. Am Ende war es mehr wie auf dem Bazar als in einer funktionierenden Fußballliga.
Ob der Tiefpunkt wirklich schon erreicht ist, bleibt abzuwarten. Gegen den Präsidenten des Serienmeisters Olympiakos Piräus, Marinakis, wurde wegen Heroinschmuggels ermittelt. Und der Medienzar Alafouzos, Präsident von Panathinaikos Athen, der bereits Erfahrung mit einem Prozess wegen Steuerhinterziehung hat, gerät gerade wegen Urheberrechtsverletzung erneut in den Fokus der Ermittler. Und ich halte in Wirklichkeit immer noch zu Alemannia Aachen!
Aus unserem SympathieMagazin Griechenland verstehen
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